Ein- und Auswanderer – Adam Lengenius Müller und andere



In all den Jahrhunderten haben Menschen ihr Heim und ihr Dorf verlassen, um an neuen Orten das zu finden, was sie in ihrer alten Heimat vermisst hatten.
Massenbachhausen gehörte im Laufe der Zeit zum Besitz verschiedener Herrschaften, wie die von Neipperg, den Echters von Mespelbronn, den Dalbergs und denen von Ingelheim. Im Vertrag vom 13. Nov. 1906, basierend auf Reichsdeputationshauptschluss von 1903, fiel Massenbachhausen an das Königreich Württemberg. Die Neuordnung erforderte eine Zugehörigkeit zum Oberamt (OA) Kirchhausen und später zum O/A Brackenheim.

 

Wenn wir hier von Aus – und Einwanderung sprechen, so ist das nicht gleichbedeutend mit dem was wir heute unter diesem Begriff verstehen. Wie im vorhergehenden Absatz berichtet, hatten sich die politischen Zugehörigkeiten über den Berichtszeitraum (OFB 1400 – 1908) grundlegend verändert. Im ersten Zeitraum erfahren wir von „der Herrschaft“, die über den Ort bestimmte.
Für uns heute unvorstellbar, wurde der Ort mehrmals mit Grund, Gebäude, Mensch und Vieh verkauft und wieder zurückgekauft. Dass neben der politischen Zugehörigkeit auch die jeweilige Religion angenommen werde musste, ist eine weitere interessante Facette.

 

Durch die politische Abgrenzung der Ortschaften untereinander entstanden die Begriffe des „Auswanderns bzw. des Einwanderns“. So ist man zur Zeit der Herrschaften nicht nur nach Amerika, Russland, Australien usw. ausgewandert, sondern auch ins Badische oder ins Hessische, sogar nach Sigmaringen, das damals zu Preußen gehörte. Aber auch ein Wegzug nach, z.B. Massenbach oder Kirchhausen war eine Auswanderung. Diese Zuordnung hielt sich auch nach Eingliederung des Ortes in den Staatenverbund des Königreichs Württemberg. Erst zu einem viel späteren Zeitpunkt hat man zwischen Ein- und Auswanderung von oder in fremde Staaten und Zu– und Wegzug innerhalb Deutschlands unterschieden.

 

Schaut man sich die Gründe an warum Menschen ihre Heimat verließen, so sind Kriege, Unterdrückung durch die Obrigkeit, Religionszugehörigkeit, Hungersnöte, aber auch familiäre Gründe ausschlaggebend. Der Grundstein für eine große Auswanderungswelle, die bis in das 20. Jahrhundert reichte, wurde im 17. Jahrhundert gelegt. Der Dreißigjährige Krieg (1618 – 1648) trieb die Menschen aus ihren Dörfern. Spätere Kriege in unserer Region sorgten dafür, dass die Auswanderungswelle nicht nachließ.

 

Im 17. und auch bis Ende des 18. Jahrhunderts hat sich wohl kaum jemand die Mühe gemacht die Wanderungsbewegungen zu dokumentieren. Erste Aufzeichnungen finden sich im Matrikelbuch der kath. Pfarrei ab 1791. Das Gemeinde Archiv verzeichnet Auswanderungen erst ab 1807, wobei diese Art der Aufzeichnung 1885 endete und durch Eintragungen der Standesämter in den Familienbüchern ersetzt wurde. In diesem Zeitraum können wir 153 Ausreisen verzeichnet finden.

 

Die Blütezeit der Auswanderungen war in den Jahren 1852 bis 1854. Im Matrikelbuch, den Familienbüchern und dem Gemeindearchiv wurden folgende Länder und Orte festgehalten: Amerika, Australien, Frankreich, Österreich, Ungarn, Russland, Kohlhof in Baden, Kirrweiler in der Pfalz, Kirchardt in Baden, Landsheim in Baden, Jagstfeld, Heidelberg, Kochertürn, Eberbach in Baden, Nordheim, Rastatt, Stockheim, Heidelsheim in Baden, Eppingen in Baden, Berwangen in Baden, Hagenbach, Elsenz, Weiler, Neckarelz, Sulzbach in Baden, Lörzenbach in Hessen, Steinsfurt in Baden, Muckenthal in
Baden, Mannheim, Hamburg, Sigmaringen in Preußen, aber auch nach Kirchhausen und Massenbach.

 

Die Auswanderungswilligen hatten einen peinlichen Prozess zu durchlaufen. Neben dem Verzicht auf das Bürgerrecht im Ortsrecht und im Staatenverbund, wurden verschiedene Fragen geklärt. Sie mussten schuldenfrei sein. Diese Schuldenfreiheit wurde durch öffentliche Gläubigeraufrufe attestiert. Es musste ein Geldbetrag vorgewiesen werden, eventuell auch einen Bürgen, der das Geld vorstreckte. Die Gemeinde aber gab auch Geld für solche, die man gerne loswerden wollte, Leute mit fragwürdigem Ruf oder Arme. Es wurde auch die Verpflichtung zum Wehrdienst geprüft. Eine Auswanderung konnte an dieser Frage scheitern, weswegen es einige junge Männer vorzogen bei Nacht und Nebel zu verschwinden. Für von der Fahne Flüchtende gab es dann einen öffentlichen Aufruf mit der Androhung von Kerker. Im Gemeindearchiv sind zwei Fälle namentlich protokolliert.

 

Der erste im Gemeindearchiv dokumentierte Ausreiseantrag kam 1807 von Margaretha Körner, geb. Vorderbandt.

 

Sie hat nach dem Tod ihres Mannes Melchior Körner, am 12. Juni 1807, die Ausreise für sich und ihre drei Kinder Margaretha, Johanna und Franziska nach Gibbau in Mähren – Österreich beantragt.

Rosalia Bartelmann beantragte 1819 die Auswanderung nach Neckarelz. Wie wir den Dokumenten entnehmen können wollte sie sich dort verheiraten. In Neckarelz erwartete Sie gleichfalls eine peinliche Befragung. Der Rat wollte genau wissen wen man sich hier in den Ort holte. Darüber später noch mehr.

Anton Anton Seufert wanderte 1852, nach dem Tod seiner 2. Frau (1850), mit seiner Schwester Maria Josepha und seinen 4 Kindern nach Amerika aus.

Magdalena Muth, wurde als Tochter von Nikolaus Muth und Pauline Schwarz, die 1871 in Hausen geheiratet hatten, 1872 geboren. Nikolaus war von Kirchhausen und war Dienstknecht (unselbständige Arbeitskraft, die sich für längere Zeit verdingt hatte und in den Haushalt seines Arbeitgebers aufgenommen wurde). Magdalena, das 6. Kind, hatte 9 Geschwister und man kann davon ausgehen, dass der Hunger ständiger Gast am Tisch war.

Magdalena hatte einen Sohn, Johannes, der 1892 mit nur einem Monat starb. Über den Vater ist nichts überliefert. Kurze Zeit später stellte Sie den Auswanderungsantrag und ist 1892 mit dem Schiff City of Berlin von Liverpool über Queenstown nach New York ausgewandert. Dort ist sie am 2. Juli 1892 angekommen und in den Staat Illinois, im mittleren Westen, weitergereist. Magdalena ist mit ihrem Bruder Carl , 27 Jahre alt und von Beruf Schuhmacher, gereist. Sein Ziel war ebenfalls Illinois. Dort verliert sich beider Spur.

Die Geschichte von Adam Sebastian Reuter und seiner Sophia wurde in der Ortschronik von 1999 erzählt. Inzwischen hatte ich weitere Details zu der Reise gefunden, die ich hier anhängen möchte. Adam Sebastian, geb. 1901, ist am 28. Sept. 1927 auf dem Schiff Bremen von Bremen nach New York ausgewandert.

In der Passagierliste wird er wie folgt erwähnt:
III. Klasse, 26 Jahre alt, ledig, Landwirt und Tagelöhner, Zielort Binghamton NY.
1930 hat er seine Sophie nachgeholt und sie haben 1931 geheiratet.

 

Theodor Reuter, geb. 1907, ist am 14. Nov. 1929 mit dem Schiff München, des Nordd. Lloyd Bremen, von Bremen nach New York gefahren.

In den Passagierlisten ist folgendes eingetragen: Kajüte, 22 Jahre alt, ledig, Schlossergeselle, Reiseziel Ives, Wisconsin.

 

Wie eingangs erwähnt, sind in den Kirchenbüchern und im Gemeindearchiv auch Einwanderungen verzeichnet. Die jeweiligen Antragsteller, mussten nicht nur in ihrem Heimatort die Auswanderungsprozedur ertragen, es kam dann auch noch die Ein- oder Zuwanderungsprozedur in der neuen Heimat dazu.

 

So lesen wir von Johann Baumgärtner, der die Maria Theresia Auer aus Stockheim kennengelernt hatte. 1823 wollte man heiraten und Johann stellte für Maria Theresia einen Antrag auf Zuzug und Aufnahme in den Ort. Hierfür musste Sie ihr Vermögen offenlegen.

Wir lesen weiter: „Das Vermögen belangend, so erhält sie, die Bittstellerin Theresia, zu Eigenthum:
a.) die den Georg Adam Auerschen Erben und dahier jene von Joseph Auer dortselbst erblich zugefallenen Güter, ungefähr 5 Morgen Feld enthalten, zu 300 FL (Gulden) ungeschlagen, (ungeschlagen, dabei handelt es sich um Edelmetall, das zu Münzgeld „geschlagen“ werden konnte. In dieser Zeit wurden Münzen nicht geprägt, sondern geschlagen).
Sodann ferner 200 FL an Geld von ihren Eltern auf Martini (11. November) 1823 & 1824.
Abstammungs- und Vermögensurkunde des Königl. Württembergischen Rath von Stockheim
zum Zwecke der Heirat vom 14. Mai 1823.“

Ein politischer Fall war der der Bittstellerin Anna Margaretha Losekamp aus Hersfeld. Sie und Paul Gantner wollten heiraten und erbaten die Genehmigung des Rates. Der Rat von Hausen lehnte das Gesuch aber ab, man hatte Sorge sich einen Sozialfall in den Ort zu holen.

 

Im Staatsarchiv Ludwigsburg können wir hierzu lesen:
„1826, gegen die Zustimmung des OA (Oberamt) Brackenheim hat der Gemeinderat von Massenbachhausen gegen die Aufnahme von Anna Margaretha Losekamp, aus Sorge, dass neben dem mittellosen Paul Gantner, nun noch eine Ausländerin der Gemeinde zur Last fallen würde, Beschwerde eingelegt“.

 

Anna Margarethe Losekamp legte dar, dass sie 351 FL mit in die Ehe bringt.
Sie war also eine gute Partie. Die Ehe wurde am 25. Februar 1827 dokumentiert.

 

Durch einen besonderen Zufall konnte ich den Weg von Adam Lengenius Müller bis heute zurückverfolgen. Sein Vater Johann Müller war Schuhmacher und seit 1825 mit Katharina Baumann verheiratet. 1831 kam Adam Lengenius als drittes Kind zur Welt.

 

Die älteste Schwester war Christina, sie starb 1902 mit 76 Jahren. Katharina (2. Kind) lebte nur 1 ¼ Jahre und starb 1829. Adam Lengenius erlernte, wie der Vater, das Schusterhandwerk. Am 9. Mai 1855 ist er, im Alter von 24 Jahren, nach dem Tod seiner Eltern (1853 und 1854), nach Australien ausgewandert. Es gab einen öffentlichen Gläubigeraufruf.

 

Die Verzichturkunde datiert vom 9. Mai 1855.
In der Lister der Auswanderer im Gemeindearchiv ist ein Antrag unter der Nr. 86 dokumentiert.

Von der Gemeinde erhielt er 50 FL (Gulden) Unterstützung.
Er verließ Hamburg am 26. Mai 1855, zusammen mit weiteren 122 deutschen Auswanderern, auf einer Brigg (Zweimastsegler), mit dem Namen Grasbrook, getauft nach einer Insellandschaft an der Elbe, nahe Hamburg.

 

Der Bielbrief (Beilbrief oder Bielbrief, Biel=niederdt. Beil), ist ein Schiffsbauvertrag, worin der Schiffszimmermann beauftragt wird ein Schiff zu bauen, also sein Beil zu gebrauchen.

 

Im Bielbrief sind für die Grasbrook folgende Masse angegeben:
Länge zwischen den Steven: 102,40 Hamburger Fuß (29,30 m),
Größte Breite: 27,80 Hamburger Fuß (7,95 m),
Höhe (Bauchdiele bis Verdeckplanken): 15,90 Hamburger Fuß (4,55 m).
Die Grasbook unternahm 1855 nur diese Reise nach Australien und erreichte Brisbane an der Moreton Bay, an der Ostküste Australiens, im Distrikt Queensland, am 23. Sept. 1855.

 

Für uns heute unvorstellbar, wie es 112 Passagiere 4 Monate auf diesem kleinen Segelschiff ausgehalten haben.

 

Der Moreton Courier Brisbane berichtet auf der Seite 2 seiner Ausgabe über die Ankunft der Auswanderer und die mitgebrachten Waren.

Adam Lengenius wurde in der Brisbane Kolonie angesiedelt. 1855 wird er in den Immigration Records als Schäfer geführt, 1861 dann als Schuhmacher. Ein Migration Project half Einwanderern in der Landwirtschaft und Industrie Fuß zu fassen. 1861 heiratete er eine irische Einwanderin mit Namen Ellen Kelly. Über ihre Familie ist leider nichts bekannt. Nach 1861 arbeitete er als Holzfäller und lebte vor Ort in großen Camps. Das Holz wurde für den Bau der Eisenbahnlinie Ipswich – Grandchester verwendet, eröffnet 1865. 1866, nach der Geburt seiner Tochter Elena, erfolgte die Namensänderung in Miller.

Adam Lengenius hatte zwei weitere Kinder, Adam Junior starb mit 18 Monaten und 1868 wurde William geboren. 1876 schwor Adam Lengenius den Untertaneneid auf Queen Victoria von England. Dieser Eid war für Einwanderer von besonderer Bedeutung, zeugte er doch von Loyalität und ermöglichte Land zu kaufen. Adam Lengenius hat Land erworben, wahrscheinlich im Zuge der üblichen Landversteigerungen.

Er hat für sich und seine Familie ein Haus in Toowoomba, in der West Street 333 gebaut.

Dieses Haus steht heute noch und liegt nahe der Miller Street.

 

Adam Lengenius war sehr musikalisch, spielte ein paar Instrumente, einschließlich eines Akkordeons. Er war sozial eingestellt und überaus gastfreundlich. In den Erzählungen von Tante Joan war zu hören, dass er vier Sprachen sprach. Adam Lengenius arbeitete als Bauer auf seinem Land. Er hatte eine Obstplantage und einen Weinberg. Er verkaufte einen Teil der Trauben und aus dem Rest machte er Wein, den er in einem Weinkeller kelterte, ganz nach alter deutscher Tradition. Adam Lengenius starb 1904 mit 73 Jahren. Seine Schwester Christiane heirate 1881 Leonhard Baumgärtner. Das Paar hatte 4 Töchter, die sich ihre Männer aus den Familien Schwarz und Baumgärtner aussuchten. Über weitere Generationen wurde in die Familien Schwarz, Straub, Baumann, Müller, Goldfuss, Rücker, Gantner, Fischer und Tronser eingeheiratet. Damit war die Linie des Johann Müller, dem Vater von Adam Lengenius, in Massenbachhausen ausgestorben, während sie in Australien weiterlebt.

(Text und Bild Karl-Heinz Vetter)

Quellen:
Kirchenbücher, kath. Pfarramt Massenbachhausen
Liste der Auswanderer, Gemeindearchiv Massenbachhausen
Staatsarchiv Ludwigsburg
Erzählungen der Familie Miller, Australien
Bilder, mit freundlicher Genehmigung der Familie Miller
Moreton Bay Courier (Brisbane Qld. 1846 – 1861), Seite 2
Wikipedia – Schiffstypen

Rückblick auf das Leben und Wirken des Bernhard Hochherr

Leben und Wirken des Bernhard Hochherr, Begründer der Zigarrenfabriken in Massenbachhausen

Im Rahmen der Recherchen zum Ortsfamilienbuch Massenbachhausen, das im November 2018 nach Jahren intensiver Arbeit unseres aktiven Mitglieds Karl-Heinz Vetter der Bevölkerung vorgestellt werden konnte, stand das Wochenende vom 29.06. – 01.07.2019 ganz im Zeichen der Erinnerung an eine Zeit, die auch in Massenbachhausen nicht spurlos vorüber ging. Erinnert wird an Bernhard Hochherr, den Gründer der Zigarrenfabriken in Massenbachhausen.

Stolpersteinverlegung in Heilbronn für Bernhard Hochherr, Zigarrenfabrikant aus Massenbachhausen und seine Tochter Grete

In der Fürfelder Straße und der Sinsheimer (früher Berwanger) Straße befinden sich zwei eher unscheinbare Häuser, deren Geschichte im Allgemeinen nur mit den Zigarrenfabriken in Zusammenhang gebracht wird. Viele Details in der Vergangenheit dieser Häuser und der Menschen die darin lebten und arbeiteten sind erst wieder in Verbindung mit dem Ortsfamilienbuch aufgetaucht.

 

 

1898 hat ein junger Mann, Bernhard Hochherr war gerade 28 Jahre alt, in diesen Häusern seine erste Zigarrenfabrik eröffnet, der im Laufe der Zeit noch viele andere Fabriken folgen sollten.

 

Bernhard Hochherr wurde in Berwangen geboren, heiratete im September 1900 Maria  Wertheimer aus Bodersweiher in der Nähe von Straßburg und bezog die Wohnung in der Fabrik. Leider ist nicht überliefert, an welcher Adresse sich die Wohnung befand. 1901 kommt seine erste Tochter in dieser Wohnung zur Welt.

 

1905 richtet er für alle Arbeiter/innen eine Firmenkrankenkasse ein, um die Belegschaft im Falle von Krankheit abzusichern.

 

Zwischen 1898 und 1938, also rund 40 Jahre lang, gab er vielen Hausemer Familien Arbeit und Brot und den umliegenden Bauern mit dem Tabakanbau eine sichere Existenz. Besonders die Frauen erhielten durch ihren Lohn mehr Selbstständigkeit.

 

1938 wurde die Fabrik “arisiert” und von der Fa. Helbruna übernommen. Bernhard Hochherr wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet.

 

Dank der Initiative unseres Mitglieds Karl-Heinz Vetter ehrte die Stadt Heilbronn Bernhard Hochherr und seine jüngste Tochter Grete am 1. Juli 2019 mit der Verlegung von zwei Stolpersteinen vor dem Haus Frankfurter Str. 39, wo der letzte frei gewählte Wohnsitz der Familie war.

 

Die Nachfahren von Bernhard Hochherr sind weltweit verstreut, doch zu dieser Ehrung kamen Enkel, Urenkel, Ur-Urenkel, sowie Großneffen und Großnichten aus Südafrika, USA, Kanada, Großbritannien, Niederlande, Italien und Deutschland.

 

Der Förderverein DENK-MAL begleitete den Besuch der Nachfahren mit einem Rahmenprogramm. Die (symbolische) Ruhestätte von Bernhard Hochherr, sowie Stationen seines Lebens über Heilbronn und Berwangen bis nach Massenbachhausen, wurden besucht.

 

Die Verlegung der Stolpersteine fand am 1. Juli, um 9:00 Uhr statt. Den Abschluss bildete die Verlegung für Bernhard und Grete Hochherr um 11.30 Uhr in der Frankfurter Strasse Nr. 39.

 

 

19 Nachfahren sind aus Südafrika, Kanada, USA, England, Niederlande, Italien und Deutschland angereist, um der Verlegung der Stolpersteine beizuwohnen. Unser Mitglied Karl-Heinz Vetter erforschte die Geschichte der Familie Hochherr und es ist ihm gelungen mit ca. 45 Nachfahren Kontakt aufzunehmen.

 

Ein entsprechendes Rahmenprogramm wurde mit Unterstützung der Gemeinde, der Firma Müller-Reisen und dem Förderverein DENK-MAL erstellt. Am Sonntag, den 30. Juni, wurden die Gräber der beiden Ehefrauen von Bernhard Hochherr auf dem jüdischen Friedhof in Heilbronn besucht. Weitere Stationen waren Wohnungen in der West Str. 45 und Frankfurter Str. 39. Danach fuhr die Gruppe, betreut von Karl-Heinz Vetter und Barbara Roth, nach Berwangen, dem Geburtsort von Bernhard Hochherr. Geführt durch Herrn Dr. Hartmann, Historiker und Gemeinderat in Kirchardt, besuchte die Gruppe den jüdischen Friedhof mit dem Grab der Eltern von Bernhard Hochherr, die ehemalige Synagoge, die jüdische Schule, das jüdische Schlachthaus und die Höhenstr. 1. Dort stand das Geburtshaus von Bernhard Hochherr. Es war das ehemalige Rentamt derer von Neipperg, später das Hochherrenhaus. 1974 musste das Haus einer Straßenverbreiterung weichen. Im Anschluss an die Besichtigung in Berwangen ging die Fahrt zu den beiden ehemaligen Zigarrenfabriken in Massenbachhausen und danach zu einem kleinen Empfang der Gemeinde und des Fördervereins DENK-MAL im Firminushaus.

 

 

Bürgermeisterstellvertreter Herr Udo Neuweiler begrüßte die Nachfahren im Namen von Herrn Bürgermeister Morast und vermittelte einen kleinen Eindruck vom heutigen Geschehen im Ort. Die Gruppe war sehr erfreut, dass der Empfang in der ehemaligen Synagoge stattfand. Bei Kaffee und Kuchen war Zeit Erinnerungen und Anekdoten auszutauschen.

 

Am Montag, den 1. Juli 2019 war der Tag der Ehrung. Um 12.35 Uhr begann die Zeremonie mit der Verlegung der beiden Stolpersteine in der Frankfurter Str. 39 in Heilbronn, dem letzten frei gewählten Wohnort der Familie, durch den Künstler Gunter Demnig. Die Angehörigen verlasen anschließend die Biographien von Bernhard und Grete Hochherr, trugen Gedanken und Gebete vor und legten Blumen nieder.

 

Nach dem offiziellen Teil waren die Nachfahren der Familie Hochherr und einer Familie Hanauer, die ebenfalls bei der Verlegung von Stolpersteinen für ihre Nachfahren in Heilbronn anwesend waren von Oberbürgermeister Harry Mergel zu einem Empfang im Rathaus geladen. In seiner Ansprache berichtete er über die Zeit der Gewalt gegenüber jüdischen Mitbürgen, aber auch über die Scham, die nachfolgende Generationen bei dem Gedanken an die Zeit empfinden. Er schloss seine Ansprache mit dem Versprechen, dass die Stadt Heilbronn alles unternehmen werde, um eine Neuauflage vergangener Ereignisse zu verhindern.

 

Mit einem Glas Wasser, den hohen Temperaturen geschuldet, und ausführlichen Gesprächen der beiden Familien untereinander, endeten beeindruckende Tage. Die einhellige Aussage der Nachfahren war: „Wir sind gerührt, dass so viele Menschen uns so freundlich aufgenommen haben und es uns ermöglicht haben den Weg von Bernhard und Grete Hochherr nach zu vollziehen. Dafür möchten wir uns ganz herzlich bedanken.“

Rückblick auf das Leben und Wirken des Bernhard Hochherr

Bernhard Hochherr wurde 1870 als 4. von 12 Kindern der Eheleute Levi Hochherr und Hännchen Kahn in Berwangen geboren. Mit nur 28 Jahren eröffnete er 1898 in Massenbachhausen seine erste Fabrik. 1900 heiratete er Maria Wertheimer und zog von Berwangen nach Massenbachhausen.

 

Im Laufe der Jahre verlegte er seine Fabrik in Kirchhausen nach Massenbachhausen, somit gab es zwei Produktionsstandorte, in der Fürfelder Straße und in der Sinsheimer Straße, ehemals Berwanger Straße.  1901 wurde seine erste Tochter Ilka in der Fabrik geboren. 1908 verzog die Familie nach Heilbronn. Seine zweite Tochter Hilda wurde 1909 geboren und wenige Monate später starb seine Frau Maria mit nur 31 Jahren. Bernhard heiratete 1910 ein zweites Mal, nachdem er Ida Reis in der jüdischen Gemeinde in Massenbach, deren Mitglied er war, kennengelernt hatte. Ida Reis war die Tochter des letzten jüdischen Lehrers in Massenbachhausen. Aus dieser Ehe ging 1913 Gretchen hervor. Das Unternehmen wuchs stetig.

Sein Bruder Ferdinand wohnte bis 1903 in Massenbachhausen. Er heiratete in diesem Jahr und zog dann mit seiner Frau Jettchen Ottenheimer, die aus Bonfeld stammte, nach Eppingen. Wir können davon ausgehen, dass Bernhard und Ferdinand die Firma gemeinsam führten. 1909 hat sich Bernhard Hochherr aus dem Unternehmen zurückgezogen und in Heilbronn eine Vertriebsfirma für „Rohtabak en gros und Zigarren“ eröffnet. In den Steuerunterlagen der 1920 und 1930er Jahre wird er als Zigarrenvertreter geführt, was den Schluss nahelegt, dass er für seine beiden Brüder (Ferdinand und Simon Hochherr), die mittlerweile den Hauptsitz des Unternehmens nach Heidelberg verlegt hatten, als Vertreter arbeitete.